Sonntag, 5. Mai 2013

Klischees und Alltag in Russland

oder: Was russische Dashcams sonst noch zeigen.

Über Russland gibt es bei uns viele Klischees. Eines davon ist die (angebliche oder tatsächliche) Korruption russischer Beamter, ein anderes sind die rauen Sitten, die auf russischen Strassen herrschen sollen. Letztere kennen wir vor allem aus diversen Dashcam-Videos auf Youtube, die bei uns sehr beliebt sind. Korruption und Dascam-Videos haben insofern einen Zusammenhang, als viele Russen die Kamera im Auto mitführen, um im Zweifelsfall ihre Unschuld beweisen zu können. So werden aus dem grössten Land der Erde mit seinen 143 Millionen Einwohnern eine Unmenge an Dashcam-Videos produziert. Russische Dashcams zeigen Verkehrsunfälle, Strassenrowdies und gescheiterte Versicherungsbetrüger, aber auch Meteoriteneinschläge. Und manchmal auch Unerwartetes.

Heute bin ich auf dieses Dashcam-Video gestossen, das eine ganz andere Seite von Russland und seinen Autofahrern zeigt, als wie sie hierzulande zu sehen gewohnt sind, und welche die positive Seite der Russen zeigt, die ja – ein weiteres Klischee – ausgesprochen nette Leute sein sollen.


Am Anfang des Videos stehen drei Sätze auf russisch, die folgendes bedeuten:
Alles, was man tut, ohne den eigenen Vorteil zu suchen, kann zu einer sehr guten Tat werden.
Tue was Gutes!
Wann hast du das letzte Mal jemandem geholfen?

Freitag, 12. April 2013

Tipps für eine Autoreise nach Russland

Road to Nickel – CC Perovuoj
Die folgenden Tipps stammen nicht von mir selber, sondern von verschiedenen Quellen, die ich, seitdem ich mich nun seit ein paar Wochen mit einer Autofahrt nach Russland beschäftige, erschliessen konnte. Darunter eine alte Kollegin, die schon kurz nach dem Mauerfall ein paar Monate in Russland gastierte, mehrere Leute, die bereits Erfahrungen mit russischen Zöllnern oder Zugbegleitern gemacht hatten, und seit der Erstellung dieses Blogs habe ich auch Mailkontakt mit einem Russen aus dem Norden von Karelien (jener Gegend, die ich zu durchqueren beabsichtige).

Hier die wichtigsten Tipps, die mir zugetragen wurden:
  • Zollbeamte: Die Grenzabfertigung am Hauptübergang an der norwegisch-russischen Grenze verläuft professionell und verhältnismässig reibungslos. Bei Grenzübergängen z.B. bei Polen oder Estland ist dies nicht immer gewährleistet. Daher: Einen möglichst vielbefahrenen Grenzübergang wählen. Für den Notfall eine 50er-Note (Euro, Franken oder Dollar) bereithalten und mit den Ausweisen rüberschieben. (Offenbar macht sich hier die Inflation bemerkbar: Vor 20 Jahren lag der übliche Schmiergeld-Betrag noch bei einer 20er-Note.)
  • Speziell zu beachten für eine Fahrt durch Karelien nach Norwegen: Beidseits der Strasse von Murmansk zur norwegischen Grenze befinden sich diverse militärische Sperrgebiete, die nicht unbedingt auf der Karte verzeichnet sein müssen. Die Strasse darf auf keinen Fall verlassen werden. Im Gegensatz zu vor 20 Jahren machen heute Schilder an der Strasse darauf aufmerksam.
  • Fernverkehrsstrassen sind in der Regel in ordentlichem Zustand, Nebenstrassen für Nichtrussen nicht zu empfehlen.
  • Polizei: Je abgelegener, desto mehr Umsicht ist geboten. Autos mit westeuropäischen Kennzeichen werden eher mal rausgenommen; zumal von Beamten, die sich einen kleinen, inoffiziellen Zustupf verdienen wollen. Auch hier: für den Notfall eine 50er-Note bereithalten. Es ist aber auch sehr hilfreich, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, dass alle notwendigen Papiere vorhanden sind, das Auto inklusive aller Lichter etc. hundertprozentig funktionstauglich ist und auch sonst vollumfänglich den Vorschriften entspricht. Selbstredend: Tempolimit einhalten, und schon gar nicht alkoholisiert fahren. Trotz – oder wohl eher gerade wegen der legendären Trinkfreudigkeit der Russen gelten hier 0,0 Promille.
  • Damit zum Thema Alkohol: Mir wurde dringend empfohlen, mir einen Ausweis anzufertigen, gemäss dem ich ärztlich verordnet aus gesundheitlichen Gründen keinen Alkohol trinken darf. "Russen leeren eine Flasche Wodka wie nichts. Die saufen dich unter den Tisch, und wenn du Pech hast, haben sie dir alles abgenommen, wenn du wieder aufwachst", wurde mir gesagt. Kann natürlich passieren, muss aber nicht unbedingt. Denn ausser der Trinkfreudigkeit ist auch die Gastfreundschaft der Russen legendär. Trotzdem: Das übliche Gläschen Wodka zur Begrüssung abzulehnen kann bei den Gastgebern schlecht ankommen. Ein offiziell aussehender Ausweis kann da einiges zur Klärung beitragen, zumal ich ja meine Autoreise nüchtern fortsetzen möchte (s. oben).
  • Geschenke mitnehmen: Mit kleinen Aufmerksamkeiten wie Schokolade oder Kugelschreibern findet man schnell Freunde. Auch wird gern gesehen, wenn man Kinder mit Süssigkeiten oder kleinen Spielzeugen beschenkt. (Ganz im Gegensatz zu uns, wo man für solche Vergehen eine Einvernahme auf dem nächsten Polizeiposten riskiert.)
  • Womit wir beim Thema "kulturelle Missverständnisse" sind: Bei kleineren oder grösseren Konflikten kann das uns Schweizern angewöhnte Sozialverhalten fatal sein: Wenn sich aus irgend einem Grund Ärger anbahnt, wird Lächeln und Beschwichtigen nicht als Nettigkeit, sondern als Schwäche ausgelegt. (Das kann ja heiter werden. Den Baseballschläger werde ich aber trotzdem zu Hause lassen.)
  • Vor dem Überqueren der Grenze nach Norwegen unbedingt noch Auto volltanken – ist in Russland viel billiger.
Nachtrag 5. Mai 2013
Was ich nicht erwähnt habe, und worauf mich eine russische Mail-Bekanntschaft aufmerksam gemacht hat: Korruption wird in Russland seit einigen Jahren streng bekämpft. Bestechungsgelder zu bezahlen ist illegal, und wer es versucht, macht sich strafbar. Will man seine 50er-Note also dem falschen – oder besser gesagt, einem ehrlichen Polizeibeamten rüberschieben, so kann sich das sehr kontraproduktiv auswirken.
Mein Bekannter sagt, die meisten Leute seien ehrlich, und die unehrlichen die Ausnahme. Davon bin ich überzeugt – sonst hätte ich kaum einen Grund, eine Reise nach Russland antreten zu wollen. Dass in Russland nicht immer alles den Klischees entspricht, die wir im Westen von diesem grossen Land haben, davon schreibe ich in diesem Blogpost.

Montag, 18. März 2013

Russisch lernen

Auch wenn es noch von beruflichen Umständen abhängt, ob ich die Reise im Sommer tatsächlich antreten werde, habe ich schon mal mit Russisch lernen begonnen.
Als Primarlehrer erteile ich ja selber Fremdsprachenunterricht, und die modernen Sprachlernmethoden, bei denen man erst mal mit Sprechen loslegt und irgendwann später die Grammatik dazu lernt, liegen mir nicht. Ich bevorzuge die systematische Vorgehensweise: Zuerst will ich die Grundlagen kennen und dann schreiben und sprechen. Als Lehrmittel habe ich mich daher für den Sprachkurs Russisch mit System von Langenscheidt entschieden, der meine Erwartungen soweit gut erfüllt. Einzig zu bemängeln habe ich im Moment, dass bei den russischen Wörtern auf die phonetische Schrift weitestgehend verzichtet wird. Diese wäre jedoch eine grosse Hilfe, zumal sich die kyrillischen Schriftzeichen von unseren doch wesentlich unterscheiden und dann auch noch nicht immer gleich ausgesprochen werden: Ein russisches o ist manchmal wirklich ein deutsches o, kann aber auch als a oder als ä ausgesprochen werden, je nach Betonung und Stellung innerhalb des Wortes. (An alle Russisch-Kenner: Ich hoffe, dass ich das so richtig formuliert habe.)
Der Sprachlernkurs beinhaltet neben der gedruckten Schrift auch die kyrillische Handschrift. Und letzt wirds erst richtig lustig: Ein c ist ein s, ein u ist ein i, ein y ist ein u, ein m ist ein t, ein н ist ein n, ein g ist ein d und so weiter. Das Wort Student, auf Russisch mehr oder weniger gleich ausgesprochen wie auf deutsch, schreibt sich in russischer Druckschrift студент, in russischer Handschrift so ähnlich wie cmygeнm.
Meine ersten Schreibversuche habe ich bereits auf Instagram gepostet:
Der eine oder andere meiner russischen Follower hat diese auch schon kommentiert – auf russisch natürlich. Da ist man um ein Tool wie Google Translate wieder mal echt dankbar. Im Moment schlage ich mich erst mal mit Sätzen rum wie Мама дома (Mama ist zu Hause) oder Это моя тетя (Das ist meine Tante) – was darüber hinausgeht ist doch noch eher schwierig.

Samstag, 2. März 2013

Wie die Idee zur Reise entstand

s. Hinweis am Ende dieses Blogposts 

Im Sommer 2013 fahren meine Frau und ich getrennt in die Ferien. Regula besucht einen mehrwöchigen Englisch-Kurs in den USA, doch für Amerika fehlt mir das Interesse für eine längere Reise; zumal wir in den letzten Jahren oft in Nordamerika waren, wenn auch nicht in den USA, sondern in Kanada.
Bald einmal war also klar, dass wir diesen Sommer wieder einmal getrennte Ferien machen würden: Ihr Ziel ist klar, doch wohin würde ich fahren? Im hohen Norden Europas war ich noch nie, und Skandinavien ist mir fast völlig unbekannt. Zeit also, wieder mal was Neues zu entdecken. Und zwar mit dem Auto.
Ein erster Blick auf die Landkarte machte die Reise dann schnell wirklich interessant: Denn Richtung den Norden Skandinaviens muss man schliesslich nicht zwingend über Dänemark fahren, es gibt auch noch die alternative Route über das russische Karelien. Soweit die Idee.

Nun hat mich das Reisefieber aber wirklich gepackt. Schon lange hege ich eine heimliche Faszination für Russland. Auch wenn man heute wesentlich komfortabler durch das russische Karelien reisen kann als noch vor 10-15 Jahren: Damals bestand diese weit über 1000 Kilometer lange Strecke offenbar grösstenteils noch aus einer Schotterpiste, die streckenweise mit tennisballgrossen Steinbrocken belegt war. Heute zeigt ein Blick auf Google Earth und Streetview, dass man mittlerweile hauptsächlich eine moderne und komfortabel ausgebaute Strasse erwarten darf.
Bis anhin habe ich mich noch nicht konkret mit einer Einreise nach Russland befasst. Braucht man dazu heute eigentlich noch ein Visum? O ja! Und ausserdem noch einen Krankenversicherungsnachweis und ein Einladungsschreiben, für die Einreise mit dem Motorfahrzeug muss zudem noch eine russische Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden, und, und, und. Alles in allem aber nichts, was sich mit etwas bürokratischem Aufwand nicht überwinden liesse. Ausserdem bin ich ja nicht der erste Westler, der nach Russland fährt.
Wie schwierig ist Russisch?
Dann gibts aber vielleicht doch noch ein grösseres Problem: Natürlich kann ich kein Wort Russisch! Ich kann ja noch nicht mal die kyrillische Schrift lesen. Nun ja: für einen Intensivkurs in Russisch wäre ja bis zu den Sommerferien gerade noch Zeit. Die russischen Äquivalente für sein und haben konjugieren können und dann die wichtigsten 50 Verben in der Grundform und 100 Nomen kennen, das wäre ja schon mal besser als gar kein Wort Russisch zu sprechen.
Da ich letzte Woche krank im Bett lag und es für die Bedienung des Computers gerade noch reichte, hatte ich ausgiebig Zeit, an der Route zu feilen (s. auch Bild oben). Mittels Google Maps habe ich mir folgende Reiseroute zusammengestellt:
Die Strecken habe ich mir so eingeteilt, dass die Fahrzeiten her auch ausreichend Zeit für Verpflegung und Erholung lassen, und ausserdem will ich ja zwischendurch auch mal etwas mehr als die Füsse vertreten und mir vielleicht auch mal den einen oder anderen Tag Aufenthalt gönnen – wobei ich mir natürlich bewusst bin, dass ich den grössten Teil der Reise hinter der Windschutzscheibe verbringen werde. Die Reiseziele sind nicht fix, sondern Richtziele. Nicht mit einberechnet sind allfällige Verzögerungen an Grenzübergängen, Behinderungen im Strassenverkehr u.s.w. Alles in allem denke ich, dass die Reise in vier Wochen einigermassen angenehm zu bewältigen sein sollte.
Fiat Doblo
Reisen und übernachten werde ich relativ bescheiden, und zwar in Regulas Fiat Doblo, der uns schon auf unserer letztjährigen Reise an die Ost- und an die Nordsee zuverlässige Dienste erwiesen hat. Wenn man alleine oder zu zweit reist, kann man im hinteren Teil bequem schlafen, unter der Liege ist ausreichend Platz für Gepäck. Vielleicht hab ich ja Glück und der eine oder andere, der Russland schon mal mit dem Auto bereist hat, stösst zufällig auf diesen Blogpost. Jegliche Tipps, Empfehlungen und auch Erfahrungsberichte sind natürlich sehr willkommen.

Vorwiegend aus beruflichen Gründen kann ich diese Reise nicht in diesem Sommer antreten. Sie ist auf das nächste Jahr verschoben.